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Unterlag die ideale weibliche Figur
in historischer Perspektive stetigen Veränderungen bezüglich ihrer gewünschten Körperfülle, kann man im Zuge der radikalen „modischen Entkleidung“ der Frau und der zunehmenden körperlichen Entblößung und Nacktheit seit Beginn dieses Jahrhunderts einen dramatischen Schlankheitswahn und eine exzessive Diätbesessenheit wahrnehmen.
Im Verlaufe des ausgehenden 20. Jahrhunderts
nun entwickelte sich die Kontrolle des Gewichts zu einem generellen Lebensprinzip bzw. zur permanenten Lebensaufgabe. Die zum Massenphänomen entbrannte Schlacht mittels Schlankheitsdiät verfolgt nur ein Ziel - die Reduktion der Körperoberfläche in Richtung „stromlinien- förmiger, dynamischer Jugendlichkeit“ (Penz, 1995, S. 27).
N. Wolf (1993) führt eine amerikanische Studie
aus dem Jahr 1985 an, die besagt, daß 90 % der befragten Frauen fanden, sie wögen zuviel, obwohl dies objektiv nicht der Fall war. „An einem beliebigen Tag sind etwa 25 Prozent aller amerikanischen Frauen auf Diät, 50 Prozent beenden gerade eine, brechen sie ab oder beginnen damit“ (Wolf, 1993, S. 261). Wolf bezeichnet die Abmagerungskur in unserer westlichen Überflußgesellschaft als ein „selbstauferlegte halbes Verhungern“: die westliche Frau nimmt während einer Diät fast die Hälfte weniger Kalorien pro Tag zu sich als die ärmsten Frauen in Indien als einem der ärmsten Länder der Welt. Freiwilliges Hungern kann sich nur eine priviligierte Gesellschaft leisten, der Nahrung im Überfluß zur Verfügung steht. Schlankheit und Magerkeit wird hier zum Synonym der ehrgeizigen Frau, avanciert zum Ausdruck für Willenskraft, Kultiviertheit und modischem Bewußtsein. Dabei ist es geradezu paradox, wieviel Geld die Nahrungsmittel- industrie mit dem radikalen Hungern westlicher Frauen verdient: der Umsatz für Diätnahrung und -getränke belief sich in den USA 1990 auf 41 Milliarden Dollar.
Der Kult um die schlanke Schönheit widerspricht
dabei jeglicher natürlicher weiblicher Anatomie, enthält doch der weibliche Körper veranlagungsgenetisch und geschlechtsspezifisch mehr Fettgewebe als der Körper eines Mannes. In allen Kulturen besteht das Körpergewebe eines Mädchens von Geburt an aus 10 bis 15 % mehr Fett als das eines Jungen. Dieser höhere Anteil von Fett ist notwendig für die sexuelle Reifung zur Frau und garantiert Fruchtbarkeit. Stand die Verbindung von Fett und Fruchtbarkeit in früheren Epochen als Synonym für Gesundheit, Attraktivität und sichtbare Garantie dafür, damit Frauen die Reserven besitzen, um Schwangerschaft und Aufzucht der Kleinkinder bei guter Gesundheit zu überstehen“ (Goleman/ Benett-Goleman, 1990, S. 24), wurde auch in modernen Zeiten durch Studien nachgewiesen, daß Körperfett die Reproduktionsfähigkeit reguliert.
Trotz der erwiesenen Tatsache, daß Fettpolster biologisch äußerst sinnvoll sind, müssen Frauen 23 % ihres Gewichts abhungern, um dem aktuellen Schönheitsideal zu entsprechen. Die Frage nach dem
Sinn dieses paradoxen Phänomens drängt sich förmlich auf, doch werden wir Frauen darauf jemals eine Antwort
finden? |
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