|
Der erste bekannte literarische Text
über das Alter stammt von dem ägyptischen Philosophen und Dichter Ptahhotep (2500 v.Chr.), er zeichnet ein sehr düsteres Körperbild: "Er wird jeden Tag schwächer; seine Sicht läßt nach; seine Ohren werden taub (...). Seine
geistigen Fähigkeiten nehmen ab, (...) seine Knochen schmerzen. Das Alter ist das schlimmste Unglück, das einem Menschen widerfahren kann" (Beauvoir, 1977, S. 78). Die literarischen Zeugnisse der Antikeweisen
ein überwiegend negatives Körperbild vom alten Menschen auf; dieser erscheint körperlich als Behinderter (vgl. Nestor bei
Homer), wird als häßlich, impotent, mit welker Haut, schütterem Haar, grauen Schläfen, lockeren Zähnen, langsamen Bewegungen
beschrieben. Für die literarischen Gattungen der römischen Komödie und Tragödie stellte Julius Pollux
(3. Jhd. n. Chr.) eine Liste der verschiedenen Maskentypen zusammen: die Maske für einen Alten charakterisiert sich durch einen kahlge- schorenen Kopf, langen Bart, eingefallene Wangen, gesenkten Blick, heiteren Gesichts- ausdruck; für die Alte findet sich wieder das Motiv der Kupplerin mit platter Nase und zwei Zähnen (Beauvoir, 1977).
Im Mittelalter besteht in der Literatur kein Interesse für das Thema Alter, jedoch findet sich bei Francois Villon
ein recht detailliertes Körperbild, er beklagt die Verwüstungen, die das Alter vor allem am Frauenkörper anrichtet und beschreibt ihn als ausgetrocknet, vergilbt, verwelkt, häßlich und farblos.
Auch in der Dichtung der Renaissance spiegelt sich die Anprangerung der Häßlichkeit vom, vor allem weiblichen, alten Körper wieder: Erasmus und
Marot schreiben von "wandelnden Leichnamen", "stinkenden Gerippen", "schlaffen und widerlichen Brüsten”.
Auch in der Commedia dell’ arte (Goldoni)
hat die alte Frauengestalt ihre Reize verloren, sie ist ein Nichts. Selten finden sich positive Elemente in der Literatur, die der Frau Schönheit auch noch im Alter zusprechen (vgl. Brantôme). Im Bauern- dialog von Ruzzante
wird der Alte karrikiert als halbkrank, hustend wie ein verseuchtes Schaf, auf tausend Meilen nach dem Tod riechend "...und hat so viel Kot im Hintern, daß ihm der natürlich auf der
anderen Seite herauskommen muß" (Beauvoir, 1977, S. 131f.). In
Shakespeares bekanntem Werk
"Romeo und Julia" schreibt er: "Viele Greise sehen aus, als wären sie schon tot; sie sind blaß, langsam, schwerfällig und träge wie Blei".
Das zentrale Thema in Goethes Faust
ist das der Verjüngung, indem der alte Faust als Opfer seiner Endlichkeit erscheint und diese mit Hilfe des Satans zu überwinden versucht. Goethe glorifiziert die Jugend und sieht das Alter als eine abstrakte, eisige und enttäuschende Zeit und läßt Mephistopheles sagen:
"Am meisten lieb ich mir die vollen, frischen Wangen. Für einen Leichnam bin ich nicht zu Haus; ..."
(Goethe, 1971, S. 11) Auch bedient er sich dem Motiv der alten Frau als Hexe und läßt sie beschimpfen als Aas, Gerippe, Scheusal. In Schillers Schauspiel "Die Räuber"
findet sich einerseits die Verehrung des Alters, des "göttlichen Greises": "Wie schön, wie ehrwürdig! - ehrwürdig, wie man die Heiligen malt (...) Weißlockiges Haupt, dir kann
ich nicht zürnen!" (Schiller, 1945, S. 42). Andererseits wird der Alte als "ausgemergeltes Gerippe" "kraftloser Knochen", dem der Leib schwand und das zum Sterben nur noch
taugt (Schiller, 1945, S. 116, 49, 118) beschrieben. Victor Hugo, der das Alter wie kein anderer
Schriftsteller pries, stellte dem benachteiligten Körper eine erhabene Seele gegenüber. In dem Drama "Die Burggrafen" steht der Bart des schlafenden Barbarossa als Symbol für Langlebigkeit. In "Der schlafende Boas" schildert er den alten Greis, der sich noch immer seine sexuelle Ausstrahlungskraft bewahrt hat, wie nebenstehend.
In seinem Roman "Das Bildnis des Dorian Gray" zeichnet Oscar Wilde
ein höchst destruktives und schreckliches Bild vom alten Körper.
Auch die Literatur des 20. Jahrhunderts läßt Interpretationen zum Körperbild zu. In Thomas Mann berühmten Roman "Der Tod in Venedig" spielt der Blick in den Spiegel eine entscheidende Rolle: Aschenbach betrachtet "...längere Zeit (...)
sein graues Haar, sein müdes und scharfes Gesicht (...), angesichts der süßen Jugend, die es ihm angetan, ekelte ihn sein alternder Leib; der Anblick (...) stürzte ihn in Scham und Hoffnungslosigkeit"
(Mann; zitiert nach: Lube, 1985, S. 599). Arthur Schnitzler läßt Casanova in der Novelle
"Casanovas Heimfahrt" sein "...bleiches, altes Gesicht mit tief gegrabenen Falten, schmalen Lippen, stechenden Augen..." und "...wirrem, über die Stirn fließendem
Haar..." registrieren. Casanova liest im Blick der jungen Marcolinen das Wort, "...das ihm von allen das furchtbarste war, da es sein endgültiges Urteil sprach: Alter Mann."
Tiefe Betroffenheit, wie es sich im Blick der jungen schönen Frau spiegelt beim Anblick seiner Blöße,
"...die ihr verabscheuungswürdiger dünken mußte als der Anblick eines ekelhaften Tieres", erfaßt Casanova wie auch das Gefühl, "...zer- stört oder einfach vergangen zu sein"
(Schnitzler; zitiert nach: Rosenmayr, 1988, S. 59f.). Auch bei
Ernest Hemingway findet sich in "Der alte Mann und das Meer" Beschreibungen des alten Körpers. Hermann Hesse thematisiert in seiner Lyrik
Alter und Tod vergleichsweise oft und versinnbildlicht diese häufig mit der Natur und ihren Jahreszeiten; dabei steht der Baum als Symbol für das Alter. In seinem Gedicht "Erster Schnee" heißt es:
Auch Berthold Brecht
setzt sich mit dem Verwelken des Körpers auseinander: |
|